Review of The Ecological Augury in the Works of JRR Tolkien

The Ecological Augury in the Works of JRR Tolkien(to the main page on The Ecological Augury in the Works of JRR Tolkien)

The following review appeared in Zeitschrift für Fantastikforschung 1/2012 on pages 154-159, and is reproduced here with kind permission.

Zeitschrift für Fantastikforschung is the journal of Gesellschaft für Fantastikforschung e.V., www.fantastikforschung.de


(Review in German)

Campbell, Liam. The Ecological Augury in the Works of JRR Tolkien. Zürich: Walking Tree, 2012.

'Everything is connected to everything else' – dieses Erste Gesetz der Ökologie, das Barry Commoner 1971 in seinem Bestseller The Closing Circle formulierte, liegt nicht nur der relativ jungen Disziplin des Ecocriticism zugrunde, sondern beschreibt treffend auch Liam Campbells Projekt eines 'Green Reading' von Tolkiens Werk. Es ist ein umfassendes und insgesamt gelungenes Projekt, in dem Campbell Tolkiens fiktionale Texte ebenso wie seine Briefe, seine Theorien zu Natur, Macht und dem Sinn der Fantasy sowie seine christliche Überzeugung in Beziehung zu wichtigen Werken, Thesen und Aussagen führender Ökologen und Vertreter des Ecocriticism setzt und Tolkien einen wesentlichen Platz im sich herausbildenden Kanon 'Grüner' Literatur zuweist.

Campbells titelgebende These ist dabei, dass Tolkiens Werk, obwohl lange vor jeder organisierten Umweltbewegung entstanden, eine visionäre ökologische Warnung für die Menschheit beinhaltet – und zwar selbst dann, wenn man von einer auktorialen Intention absieht. Die 'Ecological Augury' erscheint als Kehrseite von 'Recovery': als Funktion der Fantasy, die Wunder der Primären Welt durch ein fiktives Prisma neu zu entdecken, und "to assist in the protection of our world, especially in the attempt to re-direct Men when their development tends to the defacing or destruction of their world" (619), wie Tolkien in seinem Smith of Wootton Major sagt.

Indem Campbell insbesondere The Lord of the Rings als Spiegel interpretiert, in dem sich die Umweltkrise unserer Zeit ebenso wie die möglichen Folgen einer anthropozentrischen Ethik und machtpolitischen Weltordnung für den Planeten erkennen lassen, wertet er Tolkien als gesellschaftlich relevanten Autor nicht nur des 20. Jahrhunderts, sondern gerade auch der heutigen Zeit. Das literarische Motiv von Galadriels Spiegel, in dem sich 'things that were, and things that are, and things that yet may be' erblicken lassen, ist für ihn dabei das entscheidende Symbol der ökologischen Warnung vor einer Gleichgültigkeit gegen unsere Umwelt im Namen von Fortschritt und Technologie.

Inwiefern aber sind Tolkiens Werk, Denken und Theorie und die Umweltbewegung im Sinne Commoners nun miteinander verbunden? Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass 'Green Studies' eines mit Tolkien – und der Fantasy insgesamt – gemeinsam haben: Die Anzahl der Arbeiten, die sich mit der Rechtfertigung und Legitimation des jeweiligen Studienobjektes befassen, scheint annähernd so groß zu sein wie diejenige, die das Studienobjekt an sich behandeln. Es ist daher kein Zufall, dass eine der ersten Studien, die sich den ökokritischen Aspekten in Tolkiens Werk widmete, den bezeichnenden Titel Defending Middle-earth (cf. Curry) trug. Erfreulicherweise entzieht Campbell sich dieser Rechtfertigungsdebatte jedoch bis auf ein einführendes Unterkapitel. Stattdessen zeigt er auf, wie eng Fiktion, Theologie, Poetik und Ökologie in Tolkiens Denken und Werk verknüpft sind, und wie diese Verknüpfung gesellschaftliche Bedeutung gewinnt.

Überzeugend sind seine Herausarbeitung von Tolkiens theoretischer Position, die detaillierte Analyse relevanter Textpassagen sowie die Rekonstruktion erstaunlicher Parallelen aus ökokritischen Studien und grüner Literatur. Campbell führt Zeitzeugen ebenso ins Feld wie die wesentlichen Tolkien-Studien der sich her ausbildenden 'grünen Tradition' und schlägt einen Bogen von C.S. Lewis' und W.H. Audens frühen Einschätzungen des Herrn der Ringe als 'relevant to the actual human situation' und 'warning and inspiration' über Shippeys Formulierung der 'strong applicability to modern environmentalism' (cf. Campbell 7; 25; 101) hin zu Aussagen von Greenpeace-Gründer David Taggart oder Isaac Asimov, die Mordor mit der Naturzerstörung in Nuklearwaffen-Testgebieten bzw. Öl-Raffinerien in Verbindung brachten. Er vergleicht die Bildsprache des Herrn der Ringe mit derjenigen in Rachel Carsons A Fable for Tomorrow, dem inoffiziellen Gründungstext der Umweltschutzbewegung, setzt Tolkiens Werk in Beziehung zu Greg Garrards Thesen der literarischen Genres als 'pre-existing ways of imagining the place of the human in nature' (206) und interpretiert Tom Bombadil unter Heranziehung diverser Studien zum kulturellen Archetypus des 'Green Man' als Gegenentwurf zu Saruman und dem Ring.

Saruman ist in Tolkiens Werk vielleicht der offensichtlichste Vertreter der von ihm verabscheuten 'Maschine' – eines machthungrigen, anthropozentrischen Weltbildes, bei dem es, so Tolkien, lediglich um "the corrupted motive of dominating" gehe: "bulldozing the real world, or coercing other wills" (Letters 146). Diese Gleichsetzung von "bulldozing" und "coercing", von destruktiver Machtausübung gegenüber der Natur und anderen Menschen und Lebensformen ist kennzeichnend für Tolkiens Denken. Immer wieder ergriff Tolkien Partei für die Natur gegen den 'feindlichen' Menschen – viel zitiert wird in diesem Zusammenhang sein Brief an den Daily Telegraph, in dem er schrieb: "In all my works I take the part of trees as against all their enemies" (Letters 420).

Zugleich benutzte Tolkien 'Natur' durchgängig als positive Chiffre im Gegensatz zur 'Maschine'. Eine der Stärken von Campbells Studie liegt darin, dass sie aufzeigt, wie konsequent Tolkien das Böse mit rücksichtsloser Dominanz, Technologie und ausbeuterischer Umweltzerstörung und das Gute mit Pluralismus, der Liebe zur Natur (insbesondere Bäumen) sowie traditionellen Gesellschaftsformen assoziiert – einer "community of living things" (Letters 400), die auf dem Respekt gegenüber nicht-menschlichem Leben beruht. Campbell verfolgt die Spuren dieser "Cultures of Opposition" (22) quer durch Tolkiens Leben und Werk. Sei es in seiner Figurendarstellung, seiner Mythologie, seiner Poetik oder seinen privaten Schriften, immer betont Tolkien die Gegensatzpaare von Dominanz und Freiheit bzw. Zerstörung und Heilung unter Zuhilfenahme von ökologisch relevanten Dichotomien wie Natur und Industrialisierung, Ausbeutung und Nachhaltigkeit, Apokalypse und Bukolik, Ödnis und Fruchtbarkeit.

Mehr noch: Indem Tolkien Tom Bombadil als "natural pacifist" beschreibt, der auf jede Kontrolle verzichtet und die Dinge "for themselves" (Letters 178f.) liebt, vertritt er explizit einen ökologischen Standpunkt, der sich gegen eine rücksichtslose Aneignung der Natur wendet und dafür plädiert, sie als 'apart from ourselves' wiederzuentdecken (cf. Campbell 76). Dies entspricht Tolkiens Konzept der 'Recovery'. In "On Fairy-Stories" verteidigte er die Fantasy unter Zuhilfenahme der Oppositionen von 'Drachen', 'Ulmen' und 'Wolken' gegenüber 'Automobilen', 'Fabrikschornsteinen' oder 'Bahnhöfen' als 'real' und relevant. Anders als für seine Kritiker bestand für Tolkien kein Gegensatz zwischen 'Eskapismus' und 'Realismus', sondern einer zwischen 'Enchantment' und 'Mechanical Magic': Letztere strebe nach Macht und Veränderung der Primären Welt; Ersteres bezeichne die künstlerisch-poetische Erschaffung von Sekundären Welten, die Tolkien mit Zweigen am 'Tree of Tales' verglich. Beide repräsentieren konträre Einstellungen gegenüber dem Wert von Macht, Technik und der lebendigen Welt, die sich, so Campbell, auch in Tolkiens fiktivem Werk fänden (149).

Jede 'grüne' Lesart von Literatur zielt darauf ab, Verbindungen zwischen der alternativen Realität des fiktiven Textes und der Primären Realität herzustellen. Ein wesentlicher Pluspunkt von Campbells Arbeit ist, dass er dabei immer nah am Text bleibt. Sobald man meint, nun habe er die Grenzen legitimer Anwendbarkeit überschritten, überrascht Campbell mit einem Auszug aus Tolkiens Briefen oder Schriften oder einem einleuchtenden Beispiel aus seinem Werk. Natürlich ist er sich bewusst, dass Tolkien kein Öko-Aktivist war (250), ebenso wie er sich davor hütet, eine eindimensional-allegorische Interpretation von Tolkiens Werk oder die ökokritische Lesart als allein gültige anzubieten. Wie Tolkien selbst im Vorwort zum Herrn der Ringe anmerkt, liegt jedoch die Möglichkeit einer solchen Lesart in der Freiheit des Lesers begründet, dem Text Sinn und Relevanz abzugewinnen. Campbell argumentiert zudem, dass es gerade die Möglichkeit einer 'grünen' Interpretation sei, welche die bis heute andauernde Popularität von Tolkiens Werk begründe.

Campbells sorgfältige, gut lesbare sowie mit ausführlichem Index und umfassender Bibliografie versehene Studie überzeugt insgesamt und ist sowohl für die Tolkien-Forschung als auch für die Disziplin des Ecocriticism relevant. Dennoch gibt es – neben der falschen Schreibweise des Namens Andy 'Sirkus' in einer Fußnote – einige zu hinterfragende Punkte. So schießt Campbell mitunter über das legitime Ziel hinaus – z.B. wenn er Frodos Lied im Alten Wald mit der Zeile 'east and west all woods must fail' ungeachtet der Figurenperspektive als "Forewarning" bezeichnet (84), wenn er Tolkiens Formulierung "a personal God" (Letters 400) als 'persönliche Beziehung zu Gott' interpretiert (anstatt als Vorstellung eines personifizierten Gottes) oder wenn er feststellt, "the spiritual climate that is in evidence in Tolkiens fiction cannot be said to be Christian in essence" (115).

Diese Aussage erfolgt im Kontext der Auseinandersetzung mit Dickerson und Evans zentraler These, Tolkiens Umweltbewusstsein gründe sich im Christentum. Campbell sieht insbesondere Gandalf nicht in der Rolle eines christlichen 'Verwalters', mit den religionsgeschichtlichen Konnotationen von Herrschaft und einer menschlichen Sonderrolle gegenüber dem Rest der Schöpfung (164), sondern zieht Parallelen zu der Umwelt-Ethik Albert Schweitzers und Franziskus' von Assisi. Dabei lässt er jedoch Tolkiens Vorstellung des Menschen als 'übernatürliches' Wesen zu sehr außer Acht. Zwar merkt er an, dass der Mensch als 'Sub-Creator' den Valar bzw. Maiar ähnelt (236), die sowohl Teil der Welt als auch unsterbliche, göttliche Wesen sind, zieht daraus aber keine Schlussfolgerungen in Bezug auf den menschlichen Status. Gerade wenn man konzediert, dass Gandalfs und Tolkiens Ideologien in Bezug auf die Umwelt sich ähneln, lässt sich jedoch die herausgehobene Stellung des Menschen in Bezug auf die Welt, die – positiv oder negativ zu erfüllende – 'human lordship over nature' (Campbell 197) eigentlich schlecht negieren.

Zudem ist ein gewisser christlicher Anthropozentrismus auch in Tolkiens häufiger Darstellung der Natur als Garten zu konstatieren. Bäume sind nicht unbedingt mit 'Wildnis' im Sinne von Ökosystemen gleichzusetzen – bei Tolkien hat sogar der wilde Wald 'Baumhirten', nämlich die Ents. Und auch Gandalf, der 'Steward of all worthy things', fällt anthropozentrische Werturteile, wenn er negativ konnotierte Worte wie 'weeds', 'wilderness', 'thorns' oder 'rank grasses' benutzt und diese damit als eben nicht 'wertvoll' kennzeichnet.

Ein wenig mehr Differenzierung hätte man sich schließlich bei der Verwendung der Begriffe 'Mastership' und 'Lordship' gewünscht. Es ist unbestritten, dass Tolkien das Ausüben von Macht als korrumpierend und zerstörerisch kritisierte. Andererseits ist Mittelerde keine Demokratie, und der Begriff 'Master' hat durchaus auch positive Konnotationen, die z.B. in Sams Bezeichnung für Frodo oder in Tom Bombadils Beschreibung seiner selbst als 'the master' zum Ausdruck kommen. Die Verbindung dieser positiven Aspekte mit der grünen Lesart bietet noch Raum für weitere Studien.

Anja Stürzer

 
Zitierte Werke
Bate, Jonathan: The Song of the Earth. London: Picador, 2000.
Carpenter, Humphrey. The Letters of J.R.R. Tolkien . 2006. London: HarperCollins, 1997.
Commoner, Barry. The Closing Circle: Man, and Technology . New York: Knopf, 1971.
Curry, Patrick. Defending Middle-earth. Tolkien: Myth and Modernity . London: HarperCollins, 1978.
—. Ecological Ethics. An Introduction . 2005. Cambridge: Polity Press, 2011.
Dickerson, Matthew & Evans, Jonathan. Ents, Elves and Eriador: The Environmental Vision of J.R.R. Tolkien . Lexington, Kentucky: UP of Kentucky, 2006.
Garrard, Greg, Ecocriticism . New York: Routledge, 2004
Hart, Trevor. Tree of Tales: Tolkien, Literature, and Theology . Waco: Baylor UP, 2007.
Tolkien, J.R.R.. Smith of Wootton Major . 1967. Ed. Verlyn Flieger. London: HarperCollins, 2005.
—. "On Fairy-Stories". Tree and Leaf, Smith of Wootton Major, The Homecoming of Beorthnoth . London: Unwin, 1975: 11-79.
Shippey, Tom A. J.R.R. Tolkien: Author of the Century . London: HarperCollins, 2000.

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